Next Generation Sequencing (NGS) und Akkreditierung: Was der neue EA-4/24-Leitfaden für Labore wirklich bedeutet - METRAS

Next Generation Sequencing (NGS) und Akkreditierung: Was der neue EA-4/24-Leitfaden für Labore wirklich bedeutet

Mit dem neuen Leitfaden EA-4/24 hat die European Co-Operation for Accreditation erstmals klar beschrieben, wie Laboratorien, die genetische Untersuchungen mit Next Generation Sequencing (NGS) durchführen, im Rahmen der Akkreditierung zu beurteilen sind. Formal richtet sich das Dokument an nationale Akkreditierungsstellen – in der Praxis ist es jedoch vor allem für medizinische und prüfende Labore von großer Bedeutung, da es konkretisiert, worauf sich Begutachtungen künftig stützen werden.

Der Leitfaden schafft dabei keine neuen Anforderungen, sondern übersetzt die bestehenden Normen ISO 15189 und ISO/IEC 17025 in die Realität moderner NGS-Workflows.

Warum NGS besondere Aufmerksamkeit erfordert

NGS-Untersuchungen sind deutlich komplexer als klassische Laboranalysen. Sie bestehen nicht nur aus der Arbeit mit Proben im Labor, sondern auch aus umfangreicher Datenverarbeitung, Softwareeinsatz und Interpretation. Der Leitfaden trägt diesem Umstand Rechnung und stellt klar:

Ein NGS-Ergebnis ist nur dann valide, wenn alle Teile des Prozesses beherrscht und nachvollziehbar abgesichert sind – vom Probeneingang bis zum finalen Befund.

Besonders relevant ist dabei die enge Verzahnung von sogenanntem „Wet Lab“ und „Dry Lab“. Während im Wet Lab Proben aufbereitet und sequenziert werden, findet im Dry Lab die bioinformatische Auswertung statt. Beide Teile sind für das Ergebnis gleich kritisch und müssen im Qualitäts- und Kompetenzsystem des Labors berücksichtigt werden .

ISO 15189 oder ISO/IEC 17025 – was gilt für Ihr Labor?

Der Leitfaden bestätigt eine für viele Labore wichtige Klarstellung:

Welche Norm anzuwenden ist, hängt nicht von der Technologie ab, sondern vom Anwendungsbereich der Untersuchung.

Medizinische Labore, die NGS im diagnostischen Kontext einsetzen, werden nach ISO 15189 akkreditiert. Labore außerhalb der medizinischen Diagnostik – etwa in Forschung, Industrie oder Umweltanalytik – fallen unter die ISO/IEC 17025. Der EA-4/24 sorgt dafür, dass diese Unterscheidung europaweit einheitlich angewendet wird .

Externe Dienstleister: Ausgelagert heißt nicht aus der Verantwortung

In der NGS-Praxis ist es üblich, bestimmte Prozessschritte auszulagern, etwa Bioinformatik, Sequenzierung oder IT-Infrastruktur. Der Leitfaden macht jedoch sehr deutlich:

Die Verantwortung für die Ergebnisse bleibt immer beim beauftragenden Labor.

Auch wenn externe Partner eingesetzt werden, muss das Labor sicherstellen, dass diese kompetent arbeiten, geeignete Verfahren einsetzen und Änderungen kontrolliert erfolgen. Dazu gehören klare vertragliche Regelungen, nachvollziehbare Validierungen und ein funktionierendes Qualitätsmanagement beim Dienstleister. Das Labor muss außerdem fachlich in der Lage sein, die extern erbrachten Leistungen zu verstehen und zu bewerten – reine „Black-Box-Lösungen“ sind aus Sicht der Akkreditierung kritisch .

Validierung, Verifizierung und Änderungen im NGS-Workflow

Ein weiterer Schwerpunkt des Leitfadens ist die Absicherung der Methoden.

Selbst entwickelte Verfahren – etwa Extraktionsmethoden oder Bioinformatik-Pipelines – müssen vollständig validiert werden. Bei kommerziellen Systemen reicht eine Verifizierung, allerdings nur dann, wenn klar nachgewiesen ist, dass sie für den vorgesehenen Zweck geeignet sind.

Besonders wichtig ist der Umgang mit Änderungen. NGS-Workflows sind dynamisch: Softwareversionen ändern sich, Datenbanken werden aktualisiert, Parameter angepasst. Der Leitfaden verlangt, dass jede relevante Änderung vor dem Routineeinsatz bewertet und dokumentiert wird. Das gilt ausdrücklich auch für bioinformatische Prozesse.

Qualitätssicherung und Ergebnisvalidität

Der EA-4/24 erwartet, dass die Qualitätssicherung den gesamten NGS-Prozess abdeckt. Interne Qualitätskontrollen sollen nicht nur die Laborarbeit, sondern auch die Datenanalyse berücksichtigen. Externe Qualitätsvergleiche und Ringversuche sollen – soweit verfügbar – ebenfalls den kompletten Ablauf einschließlich Interpretation und Berichterstattung einschließen.

Die Teilnahmehäufigkeit soll dabei risikobasiert festgelegt werden. Entscheidend ist nicht formale Erfüllung, sondern die Frage, ob die Maßnahmen geeignet sind, verlässliche und reproduzierbare Ergebnisse sicherzustellen .

IT, Daten und Befunde: kein Randthema mehr

NGS erzeugt große Datenmengen, oft über lange Zeiträume. Der Leitfaden stellt klar, dass IT-Systeme und Datenhaltung integraler Bestandteil der Akkreditierung sind. Labore müssen nachvollziehbar regeln, wo Daten gespeichert werden, wer Zugriff hat, wie lange Daten aufbewahrt werden und wie Datenschutz und Vertraulichkeit gewährleistet sind – insbesondere dann, wenn externe IT-Strukturen genutzt werden .

Akkreditierungsumfang: transparenter, aber auch konkreter

Abschließend gibt der Leitfaden konkrete Hinweise zur Darstellung des Akkreditierungsumfangs. Der Scope soll den NGS-Prozess als zusammenhängende Kette abbilden und klar erkennen lassen, welche Teile intern durchgeführt werden und welche gegebenenfalls ausgelagert sind. Für Labore bedeutet das mehr Transparenz – aber auch mehr Klarheit gegenüber Begutachtern und Kunden .

Zusammenfassung

Der EA-4/24-Leitfaden bringt vor allem eines: Klarheit.

Er macht deutlich, dass moderne NGS-Diagnostik nur dann akkreditierungsfähig ist, wenn Technik, Organisation, IT und externe Schnittstellen gemeinsam betrachtet werden. Für Labore ist der Leitfaden eine wertvolle Orientierung, um bestehende Managementsysteme gezielt weiterzuentwickeln und sich strukturiert auf Begutachtungen vorzubereiten.

Registrieren Sie sich bitte für ein kostenloses Konto um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten.