Die IVDR (EU 2017/746) verändert die Rahmenbedingungen für In-vitro-Diagnostika grundlegend. Besonders relevant sind die sogenannten In-house IVDs – also Tests, die von medizinischen Laboren selbst entwickelt, angepasst oder kombiniert werden und ausschließlich innerhalb der eigenen Einrichtung verwendet werden.
Viele Labore fragen sich: Welche Verfahren fallen überhaupt unter die IVDR? Welche Methoden muss ich akkreditieren lassen?
In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen praxisnahen Überblick.
1. Wann liegt ein In-house IVD vor?
Ein In-house IVD ist gegeben, wenn ein Labor:
- eine Methode selbst entwickelt,
- ein CE-IVD abweichend vom Herstellerzweck einsetzt,
- ein Produkt, das nur für Forschung vorgesehen ist (Research Use Only), in der Diagnostik verwendet,
- oder verschiedene Komponenten zu einem neuen System kombiniert.
Die IVDR sieht in Artikel 5 Absatz 5 dafür ein In-house-Privileg vor. Dieses befreit von der CE-Kennzeichnungspflicht, verlangt aber die Einhaltung klar definierter Bedingungen (a–i), insbesondere:
- Anwendung eines QMS,
- Erfüllung der Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR),
- öffentliche Erklärung und ggf. technische Dokumentation,
- Begründung, warum kein CE-IVD verwendet werden kann (ab 2030 verpflichtend)
- Kein Industriemaßstab und keine Weitergabe an Externe des Testkits bzw. des IVD.
2. Die fünf Szenarien im Laboralltag
Um die Pflichten richtig einzuordnen, hilft die Unterscheidung in fünf Szenarien:
- CE-IVD korrekt angewendet
- Kein In-house IVD
- Pflicht: Methodenverifizierung im QMS (ISO 15189), aber keine Akkreditierungspflicht nach IVDR.
- Abweichung vom Intended Purpose
- In-house IVD
- Beispiele: andere Probenmatrix, off-label use.
- Pflicht: Validierung & Dokumentation, Akkreditierung erforderlich.
- RUO-Produkte in der Diagnostik
- In-house IVD
- Pflicht: Schließen der Dokumentationslücken (GSPR, Risikoanalyse, Validierung), Akkreditierung erforderlich.
- Kombination von Systemen
- In-house IVD
- Beispiele: CE-IVD-Kit kombiniert mit nicht vorgesehener Software oder Gerät.
- Pflicht: Systemvalidierung, Nachweis der Gesamtleistung, Akkreditierung erforderlich.
- Eigenentwicklungen (LDTs)
- In-house IVD (komplexester Fall)
- Beispiele: Eigenbau-Assay, diagnostische Software.
- Pflicht: volle Herstellerrolle, QMS-Erweiterung, umfassende Dokumentation, Akkreditierung erforderlich.
3. GSPR und ISO 15189 – wie passt das zusammen?
Die GSPR (General Safety and Performance Requirements, Anhang I IVDR) legen fest, dass jedes IVD sicher und leistungsfähig sein muss.
Ein nach ISO 15189 akkreditiertes Labor erfüllt diese Anforderungen weitgehend, weil die Norm u. a. fordert:
- Methodenvalidierung und -verifizierung,
- Risikomanagement und Patientensicherheit,
- Dokumentation und Nachvollziehbarkeit.
Entscheidend ist die Differenzierung:
- Szenario 1: Verfahren mit CE-IVD nach Herstellerangaben → müssen verifiziert, aber nicht akkreditiert werden.
- Szenarien 2–5: Verfahren, bei denen das Labor die Herstellerrolle übernimmt → müssen validiert und in den Akkreditierungsumfang aufgenommen werden.
Damit wird klar: Die ISO 15189-Akkreditierung dient nicht der Vollabdeckung aller Laborverfahren, sondern gezielt den In-house IVDs (Szenario 2–5).
4. Was bedeutet das für Labore?
- QMS im Griff haben: Alle Methoden müssen im QMS geführt und dokumentiert sein.
- Klarheit schaffen: Jedes Verfahren muss einem der Szenarien 1–5 zugeordnet werden.
- Akkreditierung strategisch planen: Nur Szenario 2–5-Verfahren müssen in den Akkreditierungsumfang aufgenommen werden.
- Zukunft im Blick: Ab 2030 muss für jedes In-house IVD dokumentiert sein, warum kein gleichwertiges CE-IVD verfügbar ist.
5. Wie METRAS Sie unterstützt
Wir begleiten medizinische Labore bei der Umsetzung der IVDR und der Akkreditierung nach ISO 15189:
- Hilfe & Einstufungshilfen zur Zuordnung von Methoden in Szenario 1–5.
- Vorlagen & Tools zur Validierung (METRAS VALIDO), Risikoanalyse und Dokumentation (METRAS PORTAL).
- Beratung & Begleitung bei der Aufnahme neuer In-house IVDs in den Akkreditierungsumfang.
- Schulungen & Masterclasses, um Mitarbeiter fit für Akkreditierung & ISO 15189 zu machen.
6. Fazit
Die IVDR bringt neue Klarheit, aber auch neue Pflichten für medizinische Labore. Entscheidend ist die Unterscheidung:
- Szenario 1: CE-IVDs nach Herstelleranweisung → keine Akkreditierungspflicht.
- Szenario 2–5: Abweichungen, RUO, Kombinationen, Eigenentwicklungen → akkreditierungspflichtig nach ISO 15189.
Mit dieser Struktur können Labore sicherstellen, dass sie sowohl den rechtlichen Vorgaben der IVDR als auch den Akkreditierungsanforderungen nach ISO 15189 entsprechen.