Schätzung der Messunsicherheit - METRAS

Schätzung der Messunsicherheit


Grundlagen

Die Kenntnis der Messunsicherheit ist unerlässlich, um beurteilen zu können, ob ein Messwert für einen bestimmten Zweck geeignet ist. „Bei der Ermittlung der Messunsicherheit müssen alle Beiträge, die von Bedeutung sind, in Betracht gezogen werden, einschließlich der Beiträge, die sich aus der Probenahme ergeben. Angemessene Auswertungsverfahren sind zu verwenden.“ (EN ISO/IEC 17025, 7.6.1). Dies betrifft systematische und zufällige Unsicherheitskomponenten.

Die Messunsicherheit eines Messverfahrens kann zahlreiche Komponenten enthalten. Um eine praxisnahe Hilfestellung zu geben, werden in diesem Dokument verschiedene Aspekte der Messunsicherheitsermittlung abgegrenzt.

Die Schätzung der Messunsicherheit kann indirekt über einen Modellierungsansatz, indirekt über einen integrativen Ansatz oder über einen direkten Ansatz vorgenommen werden:

Modellierungsansatz:

Beim Modellierungsansatz wird – wie im GUM und in einem EURACHEM/CITAC-Leitfaden beschrieben – ein Modell der Messung erstellt. Dabei kann der Messvorgang in einzelne Module zerlegt werden, für die dann jeweils die Einzelunsicherheiten ermittelt werden. Der Modellierungsansatz liefert entweder eine Messunsicherheit für das Gesamtverfahren oder Unsicherheitsbeiträge von einzelnen Modulen des Gesamtverfahrens, die nach dem Gesetz der Unsicherheitsfortpflanzung zu einer Gesamtunsicherheit kombiniert werden.

 

Integrativer Ansatz:

Bei diesem indirekten Ansatz werden mehrere Unsicherheitsquellen integrativ erfasst. Beispiele für diesen Ansatz sind im Detail im NORDTEST Technical Report TR 569 „Handbook for Calculation of Measurement Uncertainty in Environmental Laboratories” und in der internationalen Norm DIN ISO 11352 „Wasserbeschaffenheit – Abschätzung der Messunsicherheit beruhend auf Validierungsund Kontrolldaten“ beschrieben.

 

Direkter Ansatz:

Beim direkten Ansatz werden die Streuung und systematischen Messabweichungen von Messergebnissen in gebündelter Weise in einem Experiment untersucht. Dieser Ansatz ist im Detail in der internationalen Norm EN ISO 20988 „Luftbeschaffenheit – Leitlinien zur Schätzung der Messunsicherheit“ beschrieben.

Generell gilt:
Der Aufwand und das Verfahren zur Ermittlung der Messunsicherheit richten sich in erster Linie nach den Anforderungen an den Messwert. Diese können sich aus gesetzlichen Vorgaben, Risikoabschätzungen, Kundenanforderungen etc. ergeben.

 

Teilbereiche der Messunsicherheit

Wesentliche Unsicherheitsbeiträge können aus folgenden Teilbereichen stammen:

  1. A) Probenahme aus der Gesamtheit des Prüfobjektes
    B) Gewinnung einer Analysenprobe als repräsentative Teilprobe
    C) Vorbereitung der Analysenprobe zur Messprobe
    D) Bestimmung des Messwertes aus der Messprobe

Für die Schätzung der Messunsicherheit sind alle in der Verantwortung der Konformitätsbewertungsstelle vorgenommenen Prozessschritte zu berücksichtigen.

Bei der Ermittlung der Messunsicherheit sind Beiträge für die Teilbereiche A bis D ggf. getrennt zu betrachten. Bei der Angabe der Messunsicherheit im Prüfbericht muss ersichtlich sein, auf welche Teilbereiche sich die angegebene Messunsicherheit bezieht. Bei der Angabe der Messunsicherheit müssen grundsätzlich die Teilbereiche C und D berücksichtigt werden.

Unsicherheitsbeiträge aus der Probenahme (A)Die Ermittlung von Beiträgen aus der Probenahme kann besonders aufwändig sein.

Ist eine Ermittlung von Beiträgen aus der Probenahme nicht möglich, so sollte darauf hingewiesen werden, dass die Unsicherheit der Probenahme nicht ermittelt wurde und im Rahmen der Abschätzung der Messunsicherheit auch nicht berücksichtigt wurde.

Oft kann die Unsicherheit der Probenahme – insbesondere hinsichtlich systematischer Abweichungen und aufgrund der Heterogenität des Prüfobjektes – nur aus einer Expertenschätzung ermittelt werden. Ist dies der Fall, ist die Grundlage dieser Schätzung anzugeben.

Wenn konkrete Messwerte vorliegen, z. B. die Ergebnisse einer für das zu beprobende Prüfobjekt repräsentativen Anzahl unabhängiger Laborproben, die einzeln bestimmt wurden, kann ein probenahmebedingter Unsicherheitsbeitrag abgeschätzt werden.

Unsicherheitsbeiträge aus der Gewinnung einer Analysenprobe (B)
Die Unsicherheit, die aus der Verteilung des Analyten in der Laborprobe resultiert, muss berücksichtigt werden. Falls technische Maßnahmen zur Verringerung einer ggf. vorliegenden Inhomogenität erforderlich sind (wie z. B. Mahlen der Laborprobe), muss die daraus resultierende Unsicherheit ebenfalls berücksichtigt werden.

Unsicherheitsbeiträge aus der Vorbereitung der Analysenprobe zur Messprobe (C)
Die Beiträge zur Messunsicherheit, die sich aus der Probenvorbereitung ergeben, müssen berücksichtigt werden, z. B. aus Aufschlüssen, Extraktionen, Anreicherungen, Derivatisierungen und Clean-ups.

Unsicherheitsbeiträge aus der Bestimmung des Messwertes aus der Messprobe (D)
Die Beiträge zur Messunsicherheit, die sich aus der Bestimmung des Messwertes ergeben, müssen berücksichtigt werden, z. B. aus:

  • Wägungen
  • Volumenmessungen
  • Verdünnungsschritten (Kalibrierung von Pipetten, insbesondere Kolbenhubpipetten, Messkolben)
  • Präzision des Messsignals der Probenlösung (in Abhängigkeit von der Analytkonzentration, der Verfahrensschritte, der Homogenität der Probe)
  • Reinheit der Kalibriersubstanzen
  • Feuchtegehalte
  • Kalibrierlösungen, Referenzmaterialien
  • Nichtlinearität der Kalibrierfunktion
  • Selektivität des Messsignals
  • Physikalischen und chemischen Interferenzen des Messsignals
  • Untergrundkorrekturen
  • Drift des Messsignals, Lang- und Kurzzeitzeitstabilität
  • Kontaminationen (Blindwerte)
  • Verluste der Analyten (Wiederfindungsraten)

Ermittlung der Messunsicherheit in der Praxis

Relevante und signifikante Unsicherheitsbeiträge
Die Grundlage der Ermittlung bildet die systematische Zusammenstellung aller Unsicherheitsquellen, die für das betrachtete Untersuchungsverfahren relevant sind. Ausgehend von dieser Zusammenstellung erfolgt eine Bewertung der Unsicherheitsquellen, wobei Unsicherheitsbeiträge, die keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtunsicherheit haben, vernachlässigt werden können.

So könnten für ein bestimmtes Untersuchungsverfahren u.a. folgende grundsätzlich relevanten Unsicherheitsquellen zusammengestellt werden:

  1. Wägeunsicherheiten
  2. Volumenunsicherheiten von Pipetten und Messkolben
  3. Dichteschwankungen
  4. Temperatureffekte
  5. metrologische Rückführung
  6. Homogenität des Probenmaterials
  7. Matrix des Probenmaterials
  8. (komplexe) Probenvorbereitungsschritte
  9. Stabilität des Messsignals
  10. Kalibrierung der Messeinrichtung

Wird bei der Bewertung festgestellt, dass z. B. die Unsicherheitsbeiträge zu 1) bis 5) im Vergleich zu den Unsicherheitsbeiträgen zu 6) bis 10) keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtunsicherheit haben, können diese vernachlässigt werden.

Indirekte Ansätze
Modellierungsansatz:
Dieser Ansatz ist im Detail im GUM und für die chemische Analytik speziell im EURACHEM/CITAC Leitfaden „Quantifying Uncertainty in Analytical Measurement“ beschrieben.

Der erste Schritt ist die Aufstellung eines Modells der Messung. Für jeden Einzelschritt dieses Modells ist dann die Einzelunsicherheit zu ermitteln. Für die Darstellung der Einzelkomponenten wird ein Ursache-Wirkungsdiagramm (Fischgräten- oder Ishikawa-Diagramm) empfohlen. Aus den Unsicherheitskomponenten der Einflussfaktoren ergeben sich über die Sensitivitätskoeffizienten die Unsicherheitsbeträge für die Messung. Einige Einzelkomponenten ergeben sich aus der Validierung, für andere sind Expertenschätzungen notwendig. Für Details zur Vorgehensweise wird auf EURACHEM/CITAC-Leitfaden verwiesen.

Besonderes Augenmerk ist auf die Ermittlung der Messrichtigkeit zu richten, da es oft schwierig ist, diese Abweichungen in den Einzelschritten zu erkennen.

Die Ermittlung der Messrichtigkeit erfolgt in erster Linie durch Vergleich mit zertifizierten Referenzmaterialien mit möglichst ähnlicher Zusammensetzung wie die des Probenmaterials, der Anwendung des Standard-Additionsverfahrens oder durch Wiederfindungsexperimente. Systematische Abweichungen sollten durch Optimierung des Analysenverfahrens soweit als möglich korrigiert werden, z. B. durch Verwendung geeigneter, definierter Kalibriersubstanzen (zertifiziert), Einsatz des Eingabelungsverfahrens zur Ermittlung der Kalibrierfunktion, chemische Abtrennung des Analyten, Maskierung von störenden Matrixkomponenten, Vermeidung von Kontaminationen/Verlusten, Anpassung der Matrix in den Kalibrierlösungen, Verwendung interner Standards, usw. Sind Abweichungen hinreichend genau zu quantifizieren, werden sie rechnerisch korrigiert. In diesem Fall sind die Unsicherheiten der Korrekturen zu berücksichtigen.

Integrativer Ansatz:
Beim diesem indirekten Ansatz werden mehrere Unsicherheitsquellen integrativ erfasst. Beispiele für diesen Ansatz sind im Detail im NORDTEST Technical Report TR 569 „Handbook for Calculation of Measurement Uncertainty in Environmental Laboratories” und in der Internationalen Norm DIN ISO 11352 „Wasserbeschaffenheit – Abschätzung der Messunsicherheit beruhend auf Validierungsund Kontrolldaten“ beschrieben.

Zur Ermittlung der Messpräzision werden in der Regel die Ergebnisse der Qualitätskontrollprobenanalytik verwendet. Unsicherheitskomponenten, die bei der Qualitätskontrolle nicht ausreichend berücksichtigt werden, müssen zusätzlich ermittelt werden.

Die Messrichtigkeit wird nach Möglichkeit aus den Ergebnissen der Analytik zertifizierter MatrixReferenzmaterialien bestimmt. Es können auch die Ergebnisse aus Vergleichsmessungen, Eignungsprüfungen oder von Wiederfindungsexperimenten Anwendung finden. Für die detaillierte Vorgehensweise wird auf NORDTEST Technical Report TR 537 ed. 3.1 “Handbook for Calculation of Measurement Uncertainty in Environmental Laboratories”und DIN ISO 11352 „Wasserbeschaffenheit – Abschätzung der Messunsicherheit beruhend auf Validierungsund Kontrolldaten“verwiesen.

Der integrative Ansatz deckt oftmals nur die Teilbereiche C und D (s. Abschnitt 4) ab, gegebenenfalls sind zusätzliche Abschätzungen für die Teilbereiche A und B notwendig.

Direkter Ansatz:
Dieser Ansatz ist im Detail in der internationalen Norm EN ISO 20988 „Luftbeschaffenheit – Leitlinien zur Schätzung der Messunsicherheit“ beschrieben.

Beim direkten Ansatz werden die Streuung und systematischen Messabweichungen von Messergebnissen in gebündelter Weise in einem einzigen Experiment ermittelt. Eingangsdaten sind eine einzelne Reihe von Beobachtungen und die zugehörigen Referenzwerte. In der EN ISO 20988 werden acht geeignete Experimente mit Ausführungsbeispielen beschrieben. Falls notwendig, werden Abweichungen, die nicht durch die Reihe von Messergebnissen berücksichtigt sind, durch fachkundige Beurteilungen ermittelt.

Häufigkeit der Bestimmung der Messunsicherheit:
Prinzipiell sind die Messunsicherheiten der betrachteten Messgrößen, die mit einem Prüfverfahren bestimmt werden, einmalig abzuschätzen, dies kann z. B. im Rahmen der Validierung erfolgen. Die Abschätzung muss überprüft werden, z. B. wenn – interne oder externe Qualitätssicherungsmaßnahmen Hinweise auf Probleme geben – sich neue Erkenntnisse ergeben – wesentliche Änderungen am Analysenverfahren vorgenommen werden – neue oder andere Analysengeräte eingesetzt werden.

Berechnung der Messunsicherheit

Das Gesetz der Unsicherheitsfortpflanzung beschreibt die Kombination von unabhängigen Unsicherheitskomponenten durch Addition der Varianzen. Die Wurzel aus der Summe der Gesamtvarianzen ergibt die kombinierte Unsicherheit „uc“, die mit dem Erweiterungsfaktor k multipliziert die erweiterte Messunsicherheit „U“ ergibt.

Häufig kann ein Wert von k = 2 verwendet werden, der einem Überdeckungsintervall (Konfidenzintervall) von etwa 95 % entspricht. K = 2 kann nur gewählt werden, wenn die Werte normal verteilt sind und die Zahl der effektiven Freiheitsgrade ausreichend groß ist.

Anmerkung: Andere Verteilungen besitzen andere k-Werte. Bei einer kleinen Zahl von Freiheitsgraden und annähernd normal verteilten Werten kann die t-(Student-) Verteilung benutzt werden.

Darstellung der Messunsicherheit

Aus der Darstellung der Messunsicherheit müssen folgende Informationen ersichtlich sein:

  • die für die Ermittlung der Messunsicherheit verwendete Methode,
  • den verwendeten Erweiterungsfaktor k bzw. das zu Grunde liegende Überdeckungsintervall,
  • die in die Abschätzung einbezogenen Teilbereiche (z. B. mit oder ohne Probenahme) und
  • ggf. vorliegende gesetzliche, normative oder anderweitig verbindliche Grundlagen zur Ermittlung der Messunsicherheit

Beispiel für die Angabe von Messwert und erweiterter Messunsicherheit, wobei der Beitrag der Probenahme nicht berücksichtigt ist:

Eisen: 1,78 mg/kg ± 0,10 mg/kg (k = 2)*
*: Die erweiterte Messunsicherheit schließt die Probenahme nicht mit ein.

Messwert und Messunsicherheit sind mit der gleichen Einheit und mit der gleichen Anzahl an Dezimalstellen anzugeben.

 

Quelle: DAkkS – Leitfaden zur Schätzung der Messunsicherheit gemäß Anforderungen der EN ISO/IEC 17025 für Prüflaboratorien auf dem Gebiet der chemischen Analytik in den Bereichen Gesundheitlicher Verbraucherschutz, Agrarsektor, Chemie und Umwelt

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